Ich bin Hobbyfotograf

Album: Innenansichten (1991)

Weil, wer heut’ up to date sein will, ein Hobby haben muss,
Besann auch ich mich auf den Geist der Zeit
Und machte kurzerhand mit all den alten Hüten Schluss,
Nahm Abschied von der Briefmarken-Sammel-Glückseligkeit.
Denn Freizeit, die will heute kreativ gestaltet sein;
Verzweifelt fing ich meine Suche an.
Dabei diente mein Augenmerk der Frage ganz allein,
Wie ich mich selbst verwirklichen und finden kann.

So lief ich in Geschäfte und geriet in einen Sog
Von Freizeitangeboten – noch und noch.
Seitdem ziert meinen Schreibtisch mancher dicke Katalog.
Nun, schließlich fand auch ich mein Hobby doch:
Ich plünderte mein Sparbuch, und mit einem Batzen Geld
Erwarb ich einen Fotoapparat,
Zudem fünf Objektive und ein bess’res Sucherfeld,
Zehn Filter, ein Stativ und einen Auslöser aus Draht.

Ja, ich bin Hobbyfotograf,
Kommt mir was vor die Linse, ich stell’s scharf.
Erst spann’ ich den Film behende
Und ermittle kurz die Blende,
Mit geschultem Blick check’ ich dann auch sogleich:
Stimmt der Ausschnitt, stimmt die Seite,
Stimmt die DIN-Zahl, die Brennweite,
Und bis wo geht der Schärfentiefenbereich?
Und dann wird zu guter Letzt
Noch ein Filter draufgesetzt,
Und dann widme ich mich der Belichtungszeit,
Bin eben stets zu einem Schnappschuss bereit!

Um mich auch in Expertenkreisen niemals zu blamier’n,
Verschlang ich Buch um Buch, denn eins war klar:
Das faszinierend Aufregende am Fotografier’n
Ist zweifellos das Fachvokabular.
Heut’ bin ich informiert, ich pack’ den Fotowortschatz aus,
Wo immer ich auf den Auslöser drück’:
Im Stadtpark, in der Kneipe, in der Kirche und zu Haus’.
Im Fachsimpeln liegt unsereiner Glück!

Kein Fest vergeht, das ich nicht für mein Album passend mach’,
Damit einst meine Kindeskinder seh’n,
Wie Tante Käthe auf Frau Maiers Goldner Hochzeit lacht,
Wie alle schunkelnd auf den Stühlen steh’n.
Nur, meistens bin ich erst, wenn’s grad’ vorbei ist, schussbereit,
Doch halb so wild, da kenn’ ich einen Trick:
„Auf mein Kommando nochmals Jubel, Trubel, Heiterkeit
Und bitte lächeln, Vögelchen kommt!“ – Klick!

Nun, selbstverständlich bin ich nicht bloß Schnappschusslieferant,
Viel lieber leg’ ich mich der Länge lang
In bunte Wiesen, hohes Gras, die Kamera zur Hand,
Und warte auf den Sonnenuntergang.
Ich sammle Impressionen, und erblick’ ich ein Motiv,
Wünsch’ ich mir’s hinter Glas – in unsrem Flur.
Ein Kunstwerk mach’ ich draus: romantisch, stilvoll, expressiv,
Ich schöpfe aus der Vielfalt der Natur!

Wie sehr freu’ ich mich jetzt schon wieder auf die Urlaubszeit,
Mit Filmen hab’ ich mich längst eingedeckt.
Dann wandr’ ich durch die Berge, keine Tour ist mir zu weit,
Und zeig’, was fotografisch in mir steckt.
Denn nachher lad’ ich Mann und Maus zum Dia-Abend ein
Und träume von der schönsten Zeit im Jahr,
Zudem seh’ ich dann auch einmal bei einem Glaserl Wein,
Wo ich denn überhaupt überall war!